Für Magische
«Vor dir ein Schneefeld, die Schneeflocken, die weisse Weite …», Erich Zulauf raunt mit der Stimme eines professionellen Märchenonkels in mein Ohr. Mal soll ich mich fühlen wie eine Katze, die sich streckt, mal sollen Bäume an einem Zugfenster vorbeifliegen. Das alles soll ich sehen. Aber mehr so innen, denn meine Augen sind ja zu. Schliesslich werde ich im Dienste der Entspannung hypnotisiert. Enttäuschenderweise trägt Erich Zulauf dabei weder schwarzes Cape noch Zylinder, kein Pendel, keine gespenstische Stimme, kein bläuliches Gruselfilmlicht. Genaugenommen überhaupt kein Hokuspokus weit und breit. War ja von einem promovierten Molekularbiologen auch kaum zu erwarten. Also sitze ich einfach in einem bequemen Sessel und tue – nun ja, nix. Er redet: laut, leise, gedehnt, flüsternd. Eigenartig und schön. Sonore Stimmen sickern ja häufig ohne Umweg vom Gehörgang direkt in den Bauch. Leider erweise ich mich als «wenig suggestibel». «Wenig suggestibel» ist die freundliche Umschreibung von bockbeinig. Bei mir zuckt nichts auf Aufforderung, nichts zappelt, nichts bewegt sich. Aber eingeschlafen muss ich sein. Mir fehlen ein paar Minuten, ein winziges Schläfchen mit rötlichem Sekundentraum. Vielleicht war das ja Trance? Denn dass Hypnose Hirnströme verlangsamt, ist wissenschaftlich erwiesen. Nach einer Stunde fühl ich mich besser. Liegt es am Nickerchen? Liegt es daran, dass sich ein einfühlsamer, kreuzsympathischer Mensch eine Stunde lang ausschliesslich mit mir allein beschäftigt hat? Am Bassbariton? Oder liegt es doch an einem Hauch von Magie? Fazit: Zauber oder nicht Zauber, das ist hier nicht die Frage. Hauptsache erholt.
Text: Caren Battaglia, WIR ELTERN